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14.10.2020

7. Alter­na­ti­ver Dro­gen- und Sucht­be­richt: „Men­schen ster­ben nicht am Nikotin“

7. Alternativer Drogen- und Suchtbericht

Prof. Heino Stöver, akzept-Vorsitzender und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applied Sciences, fordert in diesem Zusammenhang eine zeitgemäße Drogenpolitik, die sich neben der Prävention vor allem auch um Schadensbegrenzung – insbesondere durch das Minimieren gesundheitlicher Risiken beim Konsum – bemühen müsse. Dies gilt sowohl für sogenannte harte Drogen als auch für Tabak oder Alkohol. Stöver machte deutlich, dass es noch immer an Maßnahmen der „harm reduction“ und einer breiteren Akzeptanz in der Politik fehlt. Stattdessen gelte oft noch die Devise: Quit or die!

Neue Produkte sind Teil der Lösung, nicht des Problems

In Bezug auf den Tabakkonsum und die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken plädiert Prof. Stöver seit Jahren für eine praktikable und wirksame Alternative: die E-Zigarette. Diese „könnte vielen Menschen das Leben retten, denn sie ist weniger schädlich als die Verbrennung von Tabak“. Darüber hinaus gibt es bereits weitere schadstoffreduzierte Produkte wie etwa Nikotinbeutel, die aus gesundheitspolitischer Sicht bislang jedoch – wie die E-Zigarette – eher als neue Probleme oder Aufgabenstellungen für eine strenge staatliche Regulierung denn als Teil zur Problemlösung betrachtet würden.

Dabei sind die wissenschaftlichen Befunde eindeutig: Wer zum Beispiel dampft, reduziert seine Aufnahme von Schadstoffen gegenüber dem Konsum von Tabakzigaretten um rund 95 Prozent. Prof. Heino Stöver: „Menschen sterben nicht an Nikotin, sondern an der Verbrennung des Tabaks mit alle seinen kanzerogenen Inhaltsstoffen.“

Auch andere Aspekte wie die sogenannte „Gateway-Hypothese“ werden in der öffentlichen Diskussion oft überbewertet und Studien bisweilen fälschlich interpretiert. Dies unterstrich Dr. Bernd Werse, Vorstandsmitglied der European Society for Social Drug Research und Mitbegründer des Center for Drug Research der Goethe-Universität Frankfurt am Main, bei der Vorstellung des 7. Alternativen Drogen- und Suchtberichts: „E-Zigaretten sind nach allen mir vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen keine Einstiegsdroge für Jugendliche in den Zigarettenkonsum.“ Damit wiederholte er eine der zentralen Aussagen, die sich bereits im letztjährigen Bericht fanden.

Drogenpolitik agiert oft losgelöst von Wissenschaft und Praxis – Vorschläge für neue Modelle der Zusammenarbeit

Mit Blick auf eine zeitgemäße und praktikable Drogenpolitik regte Stöver an, neue Modelle in Kooperation mit politisch Verantwortlichen zu entwickeln. So könne die breite Kompetenz aus Wissenschaft, Praxis und Selbsthilfe offiziell in die Drogenpolitik eingebracht werden: „Ein Fachbeirat könnte die Drogenbeauftragte gerade bei schwierigen politischen Vorhaben unterstützen.“ Aus Sicht des Experten herrsche in der Drogen- und Suchtpolitik Stillstand – insbesondere auf Bundesebene. Sein Vorwurf Richtung Bundeshauptstadt: „Die Drogenbeauftragte agiert losgelöst von Wissenschaft und Forschung, aber auch von der Praxis.“

Einen Fachbeirat gibt es zwar noch nicht, einen Tipp haben die Autoren des 7. Alternativen Drogen- und Suchtberichts für die Bundesdrogenbeauftragte aber schon jetzt: Rauchern, die nicht aufhören können oder wollen, sollte der Umstieg auf E-Zigaretten empfohlen werden. Diese Empfehlung sollte auch in die medizinische Leitlinie „Screening, Diagnostik und Behandlung des schädlichen und abhängigen Tabakkonsums“ aufgenommen werden.

Dr. Thomas Nahde, Leiter des Bereiches Scientific Affairs & Scientific Engagement bei Reemtsma, begrüßte die Stellungnahmen im Zusammenhang mit dem 7. Alternativen Drogen- und Suchtbericht: „Die Forderung nach einer pragmatischeren und weniger ideologischen Drogenpolitik, die sich offen zeigt für den Dialog, ist schon deshalb sinnvoll, weil sie einen deutlicheren und nachhaltigeren Erfolg verspricht. Es gibt eben nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch zahlreiche Abstufungen von Grau. Darunter fallen die neuen Tabakalternativen wie E-Zigaretten oder Produkte für den oralen Gebrauch, wie z.B. vollkommen tabakfreie Nikotinbeutel, die für erwachsene Raucher, die ansonsten weiter rauchen würden, schon heute eine bessere Alternative darstellen können, weil sie den Raucher, aber auch Umstehende deutlich weniger schädlichen Substanzen aussetzen.“

Die Pressekonferenz zur Vorstellung des 7. Alternativen Drogen- und Suchtberichts in gesamter Länge im Video:

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