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09.07.2019

Dr. Flo­ri­an Steidl: „Rau­cher ver­ur­sa­chen kei­ne Mehr­kos­ten für die Gesellschaft“

Herr Dr. Steidl, wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, zu den „Kosten des Rauchens“ zu forschen?

Als Nichtraucher hatte ich mich nie mit dem Thema Rauchen oder mit der Besteuerung von Tabakwaren beschäftigt. Ich bin durch meinen Doktorvater, Prof. Dr. Berthold U. Wigger, zu dem Thema gekommen. Die Forschungsidee, sich die Kosten des Rauchens in Deutschland einmal genauer anzusehen, klang spannend und so ich habe dann aus wissenschaftlichem Interesse angefangen zu forschen –unvoreingenommen was wohl am Ende rauskommen würde. Die Forschung war auch insofern unabhängig, da sie unbeeinflusst von Interessen Dritter erstellt wurde.

Bereits nach kurzer Zeit habe ich festgestellt, dass es für die Forschung auf dem Gebiet der Kosten des Rauchens keine gute Datengrundlage gibt. Einige Kriterien für die Bewertung sind einfach nicht erfüllt. So gibt es keine zugänglichen Längsschnittdaten, die den gesamten Lebenszyklus eines Menschen abbilden, also Krankheitsverläufe im Laufe eines Lebens. Auch eine Verknüpfung mit dem Rauchverhalten fehlte. Die Krankenkassen besitzen zwar brauchbare Datensätze zu ihren Mitgliedern. Diese sind aber nicht frei zugänglich. Für die weitere Forschung wäre ein Zugang für wissenschaftliche Zwecke eine wichtige Grundlage.

 

Welche Methodik haben Sie angewendet, um Aussagen über die Kosten des Rauchens treffen zu können?

Wenn keine aussagekräftige Datenbasis vorhanden ist, erstellen wir in der Volkswirtschaftslehre Modelle und treffen Annahmen. So habe ich die vorhandenen Querschnittsdaten eines bestimmten Jahres in einen Längsschnitt umgelegt und damit einen Lebenszyklus simuliert.

Erstmals konnte ich die Frühsterblichkeit des Rauchens in Deutschland berücksichtigen. Die Erkenntnis, dass Raucher im Schnitt früher sterben, war zwar bekannt, wurde aber in den bis dahin vorhandenen Berechnungen der Kosten des Rauchens nicht berücksichtigt. Dabei ist dieser Punkt, neben der Definition der Kosten, entscheidend für die Höhe der Kosten. Allein schon deshalb mussten die bisherigen Berechnungen zu den Kosten des Rauchens eine Überschätzung darstellen.

Mir ging es um die externen Kosten des Rauchens, also jene Kosten, die nicht von den Rauchern selbst getragen werden. Raucher wälzen über die Sozialversicherung und die Beamtenversorgung die fiskalischen Folgekosten erhöhter Krankheitsraten auf die Nie-Raucher ab. Allerdings entstehen durch die durchschnittlich kürzeren Lebenserwartungen von Rauchern auch Ersparnisse in der Sozialversicherung und der Beamtenversorgung. Die Saldierung dieser Kosten und Ersparnisse ergibt die externen Nettokosten des Rauchens.

 

Zu welchem Ergebnissen kommen Sie in Ihrer Studie?

Rauchen führt zu geringen negativen externen Nettokosten, also zu Einsparungen aus der Perspektive der Steuer- und Beitragszahler. Das ist vor allem aus den frühsterblichkeitsbedingten Einsparungen bei den Altersrenten zurück zu führen. Dieser Effekt ist stärker als die Summe aller Kostenkomponenten, also den medizinischen Kosten und den weiteren Kosten im Rentensystem. Diese Erkenntnis war neu in der Forschung zu den Kosten des Rauchens.

Wenn man Schlussfolgerungen zur Tabakwarenbesteuerung ziehen will, sind allein die externen Kosten des Rauchens relevant. Wird die Tabaksteuer als Pigou-Steuer verstanden, sollte sie so ausgestaltet sein, dass sie die externen Kosten des Tabakkonsums einpreist. Im Ergebnis übersteigen die Tabaksteuereinnahmen die externen Kosten um ein Vielfaches. Aus dieser Perspektive lassen sich Tabaksteuern nur schwer motivieren.

 

Warum kommen andere Studien zu grundlegend anderen Ergebnissen bei der Berechnung der Kosten?

Wenn wir über externen Kosten des Rauchens sprechen, ist eine finanzwissenschaftliche Perspektive gefragt. Allerdings hatten sich bis zu meiner Arbeit größtenteils andere Fachrichtungen mit der Thematik beschäftigt. Diese haben eine Perspektive eingenommen, die sich an der Gesundheit orientiert. In die Berechnungen sind dann sämtliche Kosten eingeflossen, die sich auf das Rauchen zurückführen lassen – direkte und indirekte Kosten und unabhängig davon, bei wem sie anfallen. Das ist ein sehr breit gewählter Ansatz, gegen den im Grundsatz auch nichts einzuwenden ist. Es stellt sich aber die Frage, was die Ergebnisse uns sagen sollen, welche Empfehlungen für die Politik daraus abgeleitet werden können.

Beispielsweise sind die privaten Kosten des Rauchens, wie etwa das Leid, das ein Raucher während einer Raucherkrankheit wiedererfährt, für die Berechnung der externen Kosten nicht relevant. Private Kosten werden nicht von der Gesellschaft, sondern vom Raucher selbst getragen. Daher gibt es auch keinen steuerlichen Handlungsbedarf – im Gegensatz zu einer Situation, in der hohe positive externe Kosten vorliegen.

 

Gibt es weitere wissenschaftliche Publikationen, die ihre Ergebnisse bestätigen?

Mittlerweile wurden noch wenige weitere Studien veröffentlicht, die sich mit den Kosten des Rauchens beschäftigt haben und ebenfalls die Frühsterblichkeit berücksichtigen. Eine Arbeit aus dem Jahr 2017 kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass der externe Kostenanteil rund zwölf Mal niedriger ist als die durchschnittliche Tabaksteuerbelastung pro Packung – und das bei einer sehr breiten Definition der externen Kosten. Die Tendenz der Ergebnisse deckt sich daher mit meinen Berechnungen.

Studie: Die externen Kosten des Rauchens in Deutschland

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