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10.06.2020

DKFZ plä­diert für ver­än­der­ten Umgang der Poli­tik mit E‑Zigaretten

Eine „geschickte Regulierung“, heißt es wörtlich im Kapitel Handlungsempfehlungen der DKFZ-Broschüre, könne „dazu beitragen, unerwünschte Auswirkungen von E-Zigaretten zu reduzieren und gleichzeitig erwünschte Auswirkungen zu fördern.

So empfiehlt das Forschungszentrum der Politik, neue Wege in der Regulierung zu gehen. Zum einen brauche es mehr Maßnahmen zum Verbraucherschutz vor Schwarzmarktprodukten und Maßnahmen zum Jugend- und Nichtraucherschutz. Zum anderen aber auch eine Regulierung, die die E-Zigarette für Raucher von Tabakzigaretten, die nicht aufhören wollen oder können, „attraktiv“ macht.

Doch tatsächlich geht die Bundesregierung derzeit altbekannte Wege weiter. Die neue Drogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) setzt den Kurs ihrer Vorgängerin Richtung einschränkender Maßnahmen fort. Derzeit fehlen noch neue innovative Wege in der Suchtpolitik – wie sie auch das DKFZ in seiner Broschüre als sinnvolle Möglichkeiten aufzeigt.

 

Die E-Zigarette bietet deutliche Vorteile gegenüber der Tabakzigarette

Dabei stellt das DKFZ neben den Risiken die Vorteile von E-Zigaretten in der neuen Broschüre umfangreich dar. Sinnvoll halten die Autoren E-Zigaretten vor allem für diejenigen Raucher, die bisher Tabakzigaretten konsumieren und davon nicht loskommen: „E-Zigaretten sind sehr wahrscheinlich deutlich weniger schädlich als herkömmliche Tabakzigaretten und können daher für Raucher, die mit herkömmlichen Methoden nicht aufhören können oder wollen, eine weniger schädliche Alternative zum Weiterrauchen darstellen.“

Die deutliche Botschaft der Suchtforscher: Bei „üblichen Nutzungsbedingungen“ ist die Schadstoffbelastung durch E-Zigaretten „deutlich geringer als beim Rauchen.“

Und einen zweiten Effekt hebt das DKFZ positiv hervor: Den Einsatz der E-Zigarette bei der Tabakentwöhnung. So verweisen die Suchtforscher in ihrer Veröffentlichung auf verschiedene Studien, nach denen E-Zigaretten „möglicherweise eine ähnlich hohe oder bessere Wirkung als Nikotinersatzprodukte“ haben.

Richtigerweise werden auch die Risiken von E-Zigaretten vom DKFZ deutlich benannt. So sei nach Ansicht der Autoren derzeit nicht geklärt, ob der Konsum von E-Zigaretten langfristig Atemwegserkrankungen verursache.

Auch in diesem Punkt gilt jedoch, dass die demgegenüber stehenden deutlichen gesundheitlichen Risiken für Atemwegserkrankungen beim Rauchen, mutmaßlich erheblich größer sind.

 

Es kommt auf die richtige Regulierung seitens der Politik an

Deutlich macht das DKFZ in seiner aktuellen Veröffentlichung, dass eine veränderte und gut durchdachte Regulierung der E-Zigarette positive Auswirkungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung haben kann: Modellierungen zufolge, kann die Wirkung des E-Zigarettenkonsums auf Bevölkerungsebene durch politische Maßnahmen in Richtung einer positiven Wirkung beeinflusst werden.“

Voraussetzung sei, dass diese Maßnahmen den E-Zigarettenkonsum für Jugendliche unattraktiv machen, ihn aber für Raucher attraktiv machen und den Rauchstopp fördern. „Raucher, die vollständig auf E-Zigaretten umsteigen – und wegen der unklaren Langzeitrisiken am besten langfristig auch den E-Zigarettenkonsum einstellen – könnten daher ihr Erkrankungsrisiko verringern“, so die Kernaussage des DKFZ. Dabei stützt sich das Forschungszentrum unter anderem auf die Studie einer Forschungsgruppe um Samir S. Soneji vom Dartmouth College aus dem Jahr 2018.2 Darin kommen die Forscher zu dem Schluss, „dass E-Zigaretten bevölkerungsweit zu einem Gewinn an Lebensjahren führen könnten“ – vorausgesetzt, „mehr Raucher“ hören „mithilfe von E-Zigaretten“ auf zu rauchen, „als junge Menschen infolge von E-Zigarettenkonsum damit anfangen“.

Dr. Thomas Nahde, Leiter des Bereiches Scientific Affairs & Scientific Engagement bei Reemtsma, begrüßt die neue Veröffentlichung des DKFZ ausdrücklich: „Als Wissenschaftler freue ich mich immer über eine weniger emotionale und mehr sachlich geführte evidenzbasierte Auseinandersetzung. Denn beim Thema Tobacco Harm Reduction müssen tatsächlich sehr viele verschiedene Aspekte, darunter insbesondere das Risiko-Potenzial neuartiger Produkte, Gateway-Effekte aber eben auch Potenziale für eine Rauchentwöhnung genauer betrachtet und beurteilt werden.“

Etwas enttäuscht ist der Reemtsma-Wissenschaftler jedoch, dass zahlreiche Studien über die E-Zigarette vom DKFZ in der Veröffentlichung nicht berücksichtigt wurden oder zeitlich einfach nicht mehr berücksichtigt werden konnten: „Bei verschiedenen Themen, wie z.B. der Risiko- und Toxizitätsbeurteilung, der Frage der Raumluftbelastung und Gesundheitsgefährdung hätte ich mir natürlich eine deutlich differenziertere Beurteilung unter Berücksichtigung auch jener Studien gewünscht, die zu viel positiveren Einschätzungen gelangen.“

Auch Nahde stellt jedoch klar, dass es sich bei E-Zigaretten nicht um risikofreie Produkte handelt: „Der absolute Rauchstopp ist für die Gesundheit immer noch die beste Alternative.“

Fazit: Mit dem DKFZ spricht sich erstmals eine Gesundheitsorganisation für eine differenziertere und innovativere Regulierung der E-Zigarette aus. Das DKFZ erforscht, wie Krebs entsteht und welche Faktoren das Krebsrisiko beeinflussen. Hinsichtlich des Tabakkonsums nennt es als Ziel, den durch den Tabakkonsum herbeigeführten individuellen und gesellschaftlichen Schaden zu verringern. Daher könnte die jüngste Veröffentlichung der Sucht- und Krebsforscher dazu beitragen, eine neue Debatte über eine innovative Regulierung der E-Zigarette zu entfachen und dem Konzept der Tobacco Harm Reduction auch seitens der medizinischen Forschung eine größere Bedeutung einzuräumen.

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Quellen:

1Deutsches Krebsforschungszentrum (2020): E-Zigaretten und Tabakerhitzer – ein Überblick, URL: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/sonstVeroeffentlichungen/2020_E-Zigaretten-und-Tabakerhitzer-Ueberblick.pdf 

2Soneji SS, Sung H-Y, Primack BA, Pierce JP, Sargent JD (2018): Quantifying population-level health benefits and harms of e-cigarette use in the United States. PLoS ONE 13(3): e0193328. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0193328