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21.08.2019

Fleisch­de­bat­te: Gast­au­tor Tom Bus­ch­ardt – War­um höhe­re Prei­se das Pro­blem nicht lösen

Die Forderung, die Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent zu heben, ist kurzsichtig gedacht

Und vor allem nicht vom Ende her. Drehen wir den (Fleisch-)Spieß einmal um und denken vom anderen Ende der Wurst: Muss Fleisch nicht besser werden? Muss Fleisch nicht besser produziert werden? Muss die Haltung der Tiere wie bisher stattfinden, damit ein Kilo Schweinekotelett beim Discounter weniger als 4,30 Euro kostet? Müssen wir Tiere zur Schlachtung und Verarbeitung vom Erzeugerbetrieb aus kreuz und quer durch Europa fahren? Hat mal jemand Diesel- und LKW-Maut-Anteil und den CO2-Fußabdruck von einem Kilo Billigfleisch ausgerechnet? Was bleibt dann noch für artgerechte Haltung übrig? Und vor allem: Warum fahren wir Schlachtvieh aus der EU heraus in Länder, die es mit den Vorschriften beim Schlachten nicht so genau nehmen, um es anschließend wieder zu importieren? Sorgen wir uns nicht nur um die Blähungen von Kühen für das Klima, sondern ruhig auch einmal um den CO2-Impact der ganzen Tierverschickung über Europas Autobahnen. All das muss geändert werden.

Und deshalb sollte der Gedanke nicht lauten: „Fleisch muss teurer werden“, sondern „Fleisch muss besser werden“ – weil man Maßnahmen ergreifen muss, dass Tiere – selbst, wenn wir sie zur Fleischproduktion züchten – nicht wie der letzte Dreck behandelt werden.

Für alle, die sich nun schon seit einigen Zeilen fragen, ob die Forderung nicht sein müsste „Wir müssen weniger Fleisch essen“:

Die Forderung ist mehr als nachvollziehbar – doch auch hier greift der Preisaspekt nicht. Im Gegenteil! Wenn das Problem ist, dass zu viel Fleisch gegessen wird von zu vielen Menschen – dann kann es passieren, dass bei steigenden Preisen weniger Fleisch konsumiert wird. Aber wer muss dann verzichten? Die Menge des Konsums und Fleisch essender Menschen dadurch zu reduzieren, dass die Menschen mit weniger Einkommen es sich weniger leisten können, erscheint sehr unsozial.

Aber zurück zum Preis – denn so wird die Debatte gerade geführt: Ein paar Zahlen? Bitteschön: Ich schaue bei einem der großen Discounter ins Angebot und stelle fest: Da kostet das Kilo Schweinekotelett 4,27 Euro und das Biofleisch bei anderen Anbietern liegt bei 6,80 bis 13,80 Euro. Nun sind in den 4,27 Euro Discounter-Fleisch 7 Prozent Mehrwertsteuer enthalten. Womit steuern wir nun das Tierwohl? Mit Steuern. Sehr originell.

Das „Gute-Fleisch-Gesetz“ (nach Gute-Kita-Gesetz und Starke-Familien-Gesetz muss das einfach so heißen) soll es regeln und mit einem erhöhten Mehrwertsteuersatz das Ruder rumreißen. Bei 19 statt 7 Prozent wird das Kilo Schwein mit Knochen beim Discounter künftig 47 Cent mehr kosten für die Kunden: sensationelle 4,74 Euro. Biofleisch wird entsprechend noch teurer.

Aber auch dafür wird es künftig zum Schlachter, zum Verarbeiter und zum Distributor quer durch Europa gefahren – und kann neben Lohn, LKW-Maut und Diesel immer noch solche Preise auf die Waage bringen. Und wenn es mit der Mehrwertsteuer nicht reicht, dann sollen Firmen – wie einige bereits vorschlagen – eine Art Tierwohl-Strafabgabe zahlen, wenn sie nur die gesetzlichen Mindeststandards erfüllen?

Das soll die Lösung sein?

Wir bestrafen die Hersteller, die sich an die gesetzlichen Mindeststandards halten? Dann stimmt doch mit den gesetzlichen Mindeststandards etwas nicht. Das wäre so, als wenn man Firmen, die den Mindestlohn zahlen, gesondert zur Kasse bittet, weil sie nur Mindestlohn zahlen. Dann wäre doch wohl eher der Mindestlohn zu niedrig, oder?

Zurück zum Fleisch: Konsumentenerziehung über eine Fleischstrafsteuer kann nicht das Mittel der Wahl sein, denn die Umstellung auf artgerechte Haltung und zur Verbesserung des Tierwohls erfolgt nicht durch eine Mehrwertsteuer, sondern durch die Investitionen der Landwirte und Züchter. Selbst wenn die Regierung Umbaumaßnahmen mit Steuermitteln fördert, wird sie anschließend das Fleisch nicht wieder niedriger besteuern. Zur Erinnerung: Wir zahlen auch immer noch die Schaumweinsteuer zur Finanzierung der kaiserlichen Flotte.

Der Druck wird doch schon bei den privaten Grillpartys spürbar: „Was ist das für Fleisch, das du da grillst?“, „Wo habt ihr das gekauft?“, „Ach, das ist von XY-Discount? Lass mal, ich nehme dann nur Gemüse vom Grill und etwas Salat.“ – So verhalten sich mündige Verbraucher, wenn sie aufgeklärt werden und für sich die Entscheidung treffen, bestimmte Dinge nicht mehr unterstützen zu wollen.

Ja, ich bin dafür, dass das Tierwohl uns alle angeht und wir hier Veränderungen herbeiführen müssen. Deutschland ist ohnehin gerade sensibilisiert für Naturthemen, Klimawandel – da packen wir das Tierwohl gerne noch mit auf die Agenda.

Aber wir dürfen auch nicht die Augen davor verschließen, dass ein Arbeiter mit Mindestlohn für 1.700 Euro brutto im Monat seine Familie durchbringen muss. Und deshalb werden Menschen auch weiterhin Textilien tragen, die in Bangladesch unter fragwürdigen Umständen produziert werden und sie werden sich über ein Kilo Discounter-Kotelett für 4,30 Euro freuen. Mit einer erhöhten Mehrwertsteuer werden auch diese Menschen nicht zu politisch korrekten Biofleischkonsumenten. Wir bevormunden und demütigen sie nur noch ein wenig mehr, weil sie keine politisch korrekten Konsumenten sind. Pardon: keine politisch korrekten Konsumenten sein können.

 

Ihr Tom Buschardt (@tom200prozent)

Tom Buschardt ist Medienberater und -trainer, Experte für Krisenkommunikation und Buchautor.

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