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08.01.2021

Mei­ne 6 Wün­sche für 2021

Von Julian Stürcken

Auf der Liste der bekanntesten Filmzitate aller Zeiten des American Film Institute steht „Dirty Harry“ Callahans Satz auf Rang 6: „Go ahead – make my day!“ Was Clint Eastwood 1983 so einzigartig einem Schurken entgegenknurrte, könnte – leicht abgewandelt – auch für jeden Raucher und jeden Konsumenten alternativer Produkte gelten: „Legt los – macht mein Jahr besser!“ Dafür allerdings müsste Einiges passieren. Hier kommen meine persönlichen Wünsche für 2021:


Besser informieren

Dass es Deutschland gelingt, zu einer ausgewogenen und sachlichen Debatte rund um das Coronavirus zu finden, darauf hoffen viele Menschen. „Leugnen“ liegt zum Glück nicht jedem. Und nicht wenige Menschen in Deutschland erwarten, wieder oder stärker als mündige Bürger wahrgenommen zu werden. Was das mit Tabak und Co. zu tun hat? Ganz einfach: Je nach Absender und Interessenlage gelten insbesondere die Raucher von Zigaretten besser als andere gegen Covid-19 geschützt (etwa laut einer aktuellen Studie der Universität Duisburg-Essen(1)) oder auch durch Vorerkrankungen als besonders gefährdet (zum Beispiel laut einem Statement der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Daniela Ludwig(2)). Es steht außer Frage, dass Tabakrauch nicht gesund ist. Dennoch werden sich auch die nordrhein-westfälischen Wissenschaftler ihre These nicht willkürlich ausgedacht haben.

Mein Wunsch: ein objektiver Umgang mit wissenschaftlichen Studien zum Thema Tabak, ganz gleich, ob einem die Erkenntnis persönlich gefällt oder nicht.

Übrigens: Die Drogenbeauftragte hat im gleichen Atemzug Raucher aufgefordert, die Finger von der Zigarette zu lassen. Das ist nachvollziehbar, schließlich muss sie das schon von Amts wegen tun. Dass sie aber gleichzeitig dazu aufruft, man müsse vor allem diejenigen in den Blick nehmen, „die bisher nicht mit den Angeboten für einen Rauchstopp erreicht werden konnten“(3), sorgt auch bei mir für Unverständnis. Schließlich, das wurde zuletzt im Drogen- und Suchtbericht deutlich, erkennt Daniela Ludwig das Potenzial von E-Zigaretten und anderen rauchfreien Produkten – etwa tabakfreien Nikotin-Beuteln – als Substitution für ausstiegswillige Raucher nicht an. Damit ignoriert sie die Faktenlage, der zufolge diese Erzeugnisse um bis zu 95 Prozent weniger schädlich sind als Tabakzigaretten(4, 5).

Mein Wunsch: Politiker blicken in Sachen Risikoreduzierung über den Tellerrand und informieren sich zum Beispiel in Großbritannien über die Erfolge, die die Behörden dort mit der Tabakentwöhnung durch E-Zigaretten gemacht haben.


Sachlicher bewerten

Informationsvermittlung erfolgt hierzulande immer noch größtenteils über die Massenmedien. Dass die hier verbreiteten „Fakten“ übers Dampfen oder den Konsum von tabakfreien Nikotin-Beuteln nicht immer mit echten Erkenntnissen übereinstimmen, sondern häufig auf unrecherchiertem Halbwissen oder gar auf Meinungen basieren, kann jeder feststellen, der Fakten und Medien-Output nebeneinanderlegt.

Das beste Beispiel sind die im Jahr 2019 nach dem Dampfen von gepanschten Liquids Berichte von verstorbenen Menschen in den USA. Die Welt zitierte damals US-Präsident Donald Trump mit dem Satz: „Menschen sterben durch das Rauchen von E-Zigaretten.“(6) Mit diesen zwei gravierenden Fehlern in nur einem kurzen Satz (E-Zigaretten werden gedampft und waren auch nicht der Grund für die Todesfälle) verunsicherte der Republikaner damals nicht nur ausstiegswillige Raucher in den USA, sondern auch in Europa. Und noch heute halten viele Deutsche die E-Zigarette für mindestens ebenso gefährlich wie Tabakzigaretten(7).

Mein Wunsch: Journalisten informieren sich bei Experten und berichten objektiv über Alternativen zur klassischen Zigarette und über deren Potenzial bei der Rauchentwöhnung.

Und wenn die Presse sich um eine sachbetonte Auseinandersetzung mit dem Thema bemüht, sollte das für Raucher und Nichtraucher ebenfalls möglich sein. Wir sehen derzeit eine zunehmende gesellschaftliche Spaltung zwischen Befürwortern und Gegnern der Anti-Corona-Maßnahmen. Da brauchen wir eine solche Kluft in anderen Bereichen nicht auch noch. Mein Wunsch: Nichtraucher sowie Raucher und Dampfer nehmen aufeinander Rücksicht und achten die individuelle Freiheit der jeweils anderen Gruppenmitglieder.


Gründlicher abwägen

Das betrifft übrigens noch einen anderen Aspekt: Während Raucher zunehmend gesellschaftlich geächtet werden und immer mehr Vorschriften den Konsum von Tabakerzeugnissen erschweren, sind dem Staat die Einnahmen aus der Tabaksteuer nur allzu willkommen. Zwischen 14 und 15 Milliarden Euro dürften die Raucher 2020 zum Bundeshaushalt beigetragen haben – die Mehrwertsteuer ist da noch nicht berücksichtigt. Zum Vergleich: Das entspricht mehr als dem Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13,6 Milliarden Euro)(8). Mein Wunsch: Solange die Einnahmen aus der Tabaksteuer fest in den Etatplanungen der Regierung einkalkuliert sind, sollte der Staat Moralpredigten vermeiden.

Ja, der Wunsch, der Staat möge viele Dinge sachlicher beurteilen, ist vermutlich vergebens. Und doch wäre er an einigen Stellen besonders angebracht. Denn sich einerseits das Ziel einer besseren Volksgesundheit auf die Fahnen zu schreiben und andererseits alternative und weniger schädliche Nikotinprodukte ebenso strikt zu regulieren wie Tabakerzeugnisse, passt in meinen Augen nicht zusammen. Was Werbung (Informationsvermittlung), Auflagen beim Verkauf und eine mögliche Besteuerung betrifft, sollten sich Brüssel und Berlin an einer Einstufung nach Risikoklassen orientieren.

Mein Wunsch: Die politischen Entscheider auf Europa- und Bundesebene mögen stärker als bisher bei neuen Regulierungsschritten Abstufungen nach dem Gefährdungspotenzial vornehmen.

Fromme Wünsche? Vielleicht. Auf jeden Fall bin ich sicher, dass sie für (ausstiegswillige) Raucher, Dampfer und Nichtraucher Antworten auf viele Fragen böten, auch auf die grundlegende von Dirty Harry: „Manchmal wache ich nachts auf und frage mich, was zum Teufel aus der Welt noch werden soll.“

 

(1): https://www.hna.de/verbraucher/corona-rauchen-infektion-anstecken-verlauf-studie-gesundheit-hna-kassel-zr-90147184.html

(2): https://www.drogenbeauftragte.de/presse/detail/neuer-bericht-der-drogenbeauftragten-ludwig/

(3): https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.coronavirus-drogenbeauftragte-raucher-sollen-konsum-einschraenken.39c484e3-85df-49a6-b7c3-f402c27828f6.html

(4): https://www.gov.uk/government/news/e-cigarettes-around-95-less-harmful-than-tobacco-estimates-landmark-review

(5): https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6942997/

(6): https://www.welt.de/wirtschaft/article200208908/Todesfaelle-in-den-USA-Die-E-Zigarette-erlebt-ihren-Alkopop-Moment.html

(7): https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2020/09/e_zigaretten__mehrheit_der_bevoelkerung_sieht_gesundheitliche_risiken-244844.html

(8): https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/haushalt-2021---giffey--so-viel-geld-wie-jetzt-gab-es-noch-nie-fuer-familien/163140