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21.12.2017

Das Tabak­jahr 2017 – ein Rück­blick aus Rauchersicht

Weniger Steuern in Deutschland, schärferes Rauchverbot in Österreich

Der deutsche Fiskus steht vor einem Dilemma: Einerseits will er über die Tabaksteuer das Verhalten der Bürger steuern und das Rauchen eindämmen. Andererseits braucht er Einnahmen, auch aus der Tabaksteuer. Das Jahr 2017 beginnt für ihn mit schlechten Zahlen. Das Statistische Bundesamt teilt im Januar mit, insgesamt seien 2016 rund 75 Milliarden Zigaretten versteuert worden, 7,7 Prozent weniger als noch 2015. Die Steuereinnahmen aus Tabakwaren lagen den Statistikern zufolge deshalb nur noch bei rund 25 Milliarden Euro, gut vier Prozent weniger als im Vorjahr.

Der europaweite Trend zu immer schärferen Regeln für den Verkauf von Tabakwaren erfasst nun auch Österreich. Die Bundesländer der Alpenrepublik einigen sich im März darauf, das Rauchverbot für Jugendliche Mitte 2018 bis zum Alter von 18 Jahren auszudehnen. Bis dahin gehört Österreich noch zusammen mit Belgien und Luxemburg zu den wenigen Ländern in Europa, die Rauchen ab 16 gestatten.

Ende der Schonzeit und Vertreibung aus dem Raucherparadies

Die EU lässt keine Ausnahmen mehr zu: Seit Mai dürfen Zigaretten und andere Tabakwaren in Deutschland nur noch mit Schockbildern von gesundheitlichen Folgen des Rauchens verkauft werden – zur Freude der Hersteller von Zigarettenetuis und Boxen, in denen die hässliche Verpackung verschwindet. Die Bestimmung gilt auf Weisung der EU schon seit 2016, es durften bisher aber noch vorproduzierte Restbestände mit altem Packungsdesign abverkauft werden. Ab Mai ist außerdem der Verkauf von Zigaretten und Feinschnitt mit Aromastoffen verboten. Ausnahme ist – bis 2020 noch – Menthol.

Kulturschock in Tschechien: Kneipengänger müssen ab Juni auf Zigarette, Zigarre oder Pfeife zu Pilsner Urquell, Budweiser und Staropramen verzichten. Das neue Rauchverbot in Gastronomiebetrieben, Kinos und Theatern, um das mehr als zehn Jahre gerungen wurde, beendet den Status Tschechiens als letztes Raucherparadies in Europa. Passenderweise trat es am 31. Mai, dem Weltnichtrauchertag, in Kraft.

Die Freiheit zur Nutzung des eigenen Eigentums wird im Juni durch einen Erfolg von Nichtrauchern bei der deutschen Justiz geschmälert. Das Landgericht Dortmund schränkt mit einem Urteil in einem Streit unter Nachbarn das Recht eines Hausbesitzers ein, auf seiner eigenen Terrasse zu rauchen, wann es ihm passt. Das Gericht verfügt, zwölf Stunden am Tag habe die Terrasse rauchfrei zu bleiben. Es untersagt das Rauchen von 06:00 bis 09:00, 12:00 bis 15:00, 18:00 bis 21:00 und 00:00 bis 03:00 Uhr.

Scharfe Töne aus Frankreich und den USA

Große Geschütze gegen das Rauchen fahren im Juli französische und amerikanische Regierungsstellen auf. Frankreichs Ministerpräsident Édouard Philippe schockt seine rauchenden Landsleute mit der Ankündigung, die Tabaksteuer drastisch zu erhöhen, bis eine Packung Zigaretten zehn Euro kostet. Obwohl die Franzosen für eine Schachtel jetzt schon fast sieben Euro hinblättern müssen, raucht immer noch etwa ein Drittel der Bevölkerung – in Deutschland ist es nur rund ein Fünftel.

In den USA bastelt die Lebensmittel- und Medikamentenbehörde FDA ebenfalls im Juli an neuen Plänen. Ihr Chef Scott Gottlieb berichtet von Überlegungen in seinem Hause, den Nikotingehalt von Zigaretten von Staats wegen zu minimieren und Tabakaromen wie Menthol zu verbieten. Daraufhin brechen die Kurse von Tabakkonzernen an den Börsen von New York und London zwischenzeitlich ein.

Toleranz gegenüber Rauchern beweist im Juli hingegen der Trainer der Fußball-Bundesligamannschaft Hannover 96. André Breitenreiter erregt bundesweite Aufmerksamkeit mit dem Zitat: „Ich glaube, wir haben keinen einzigen Raucher in der Mannschaft. Aber ob sie eine rauchen, das juckt mich auch nicht. Da bin ich völlig entspannt und gelassen. Wichtig ist, dass die Jungs auf dem Platz funktionieren.“ Das tun sie unter ihrem entspannten Coach immerhin so gut, dass sie sich im Mittelfeld der Liga festgesetzt haben.

Ohne Haus kein Hausrecht, gute Laune im Festzelt

Manche Initiativen gegen das Rauchen laufen buchstäblich ins Leere. Die Fraktion der Linken im Leipziger Stadtrat will Anfang September von der Stadtverwaltung wissen, ob ein Rauchverbot an den Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel rechtlich machbar wäre. Antwort der zuständigen Baudezernentin: Die Stadt Leipzig könne an den Haltestellen kein Hausrecht ausüben, da diese sich nun einmal unter freiem Himmel befänden.

Ohne Zoff um Qualm geht’s auch. Ende September ziehen die Veranstalter des traditionsreichen Stuttgarter Volksfestes Canstatter Wasen eine zufriedene Zwischenbilanz: keine einzige Beschwerde von Gästen über die Raucherlaubnis in den Festzelten. Anders als auf dem Münchner Oktoberfest herrscht in ihnen kein Rauchverbot; die Wirte investierten hohe Summen in leistungsfähige Belüftungssysteme.

Eine Alternative zu herkömmlichen Tabakwaren verbreitet sich immer weiter. Der Verband des E-Zigarettenhandels teilt ebenfalls im September mit, dass 2016 schon 3,5 Millionen Menschen in Deutschland auf E-Produkte zurückgriffen, was einem Umsatz von 400 Millionen Euro entspricht.

Tabakindustrie warnt vor dem Rauchen, Firma belohnt Nichtraucher

In den USA erregt eine neue Informationspflicht der US-Tabakkonzerne Aufsehen. Sie müssen aufgrund eines Gerichtsurteils ab November zwölf Monate lang in der Hauptsendezeit der großen Fernsehsender der USA Spots präsentieren, die über gesundheitliche Risiken ihrer Produkte aufklären.

An 20 der beliebtesten Strände Thailands tritt Anfang November ein Rauchverbot in Kraft. Die örtlichen Behörden reagieren damit auf die Verschmutzung der Strände mit Zigarettenkippen. Mehr Aschenbecher hätten es vielleicht auch getan.

Eine lang umkämpfte Neuerung im Vertrieb von Tabakwaren kündigt sich an. Der Tabakproduktausschuss der EU beschließt Ende November das sogenannte Track-and-Trace-System zur Rückverfolgung des Lieferwegs von Tabakerzeugnissen. Das aufwendige und umstrittene System soll ab Mai 2019 den Zigarettenschmuggel bekämpfen.

Als Beitrag zu mehr Gerechtigkeit am Arbeitsplatz versteht eine japanische Marketing-Firma einen Nichtraucher-Bonus für ihre Mitarbeiter, mit dem sie im November weltweite Aufmerksamkeit findet. Sie gewährt Nichtrauchern sechs Tage Urlaub mehr pro Jahr als ihren rauchenden Kollegen. Damit will sie Zeitverluste durch Rauchpausen ausgleichen.

Ansonsten wird 2017 als das Jahr in die Annalen der Geschichtsschreibung eingehen, in dem die Zahl der sportlichen Wettbewerbe von Tabakfreunden um eine neue Disziplin erweitert wurde. Neben den bereits etablierten Weltmeisterschaften im Langsamrauchen von Pfeifen und Zigarren fand im Oktober im spanischen Figueres die erste Weltmeisterschaft im Zigarrerauchen statt, bei der es darauf ankam, ein möglichst langes Stück Asche stehen zu lassen. Der Sieger, Antonio Gomez Gomez, brachte es auf beachtliche 10,6 Zentimeter. Figueres ist übrigens der Geburtsort des exzentrischen Surrealisten Salvador Dalí.