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19.06.2017

Nan­ny Sta­te Index 2017: Schluss mit lus­tig, oder?

Die berühmte schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren wäre wohl wenig begeistert gewesen, vom Abschneiden ihres Landes beim Nanny State Index 2017 – dort belegt Schweden Rang 5 von 28. Was das genau heißt, das klären wir gleich. Freiheit bedeutete für die Schriftstellerin Lindgren immer auch, „dass man nicht unbedingt alles so machen muss, wie andere Menschen“. Doch das Konzept der Freiheit und Selbstbestimmung steht zunehmend unter Druck, da sich so manches europäische Land langsam aber sicher in einen „Bevormundungsstaat“ verwandelt, wie der Nanny State Index 2017 erneut suggeriert.

Was ist der Nanny State Index?

Das Institute of Economic Affairs (IEA) vergleicht mit dem Nanny State Index 2017 zum zweiten Mal, in welchem Ausmaß die 28 EU-Länder jeweils den Konsum von Alkohol, Zigaretten, E-Zigaretten, Fast Food und Softdrinks regulieren. Dabei befasst sich der Nanny State Index besonders mit Richtlinien, die sich negativ auf die Verbraucher auswirken und sie in ihrer Freiheit beschneiden, das zu konsumieren, worauf sie Lust haben. Die Rangliste der Länder wird anhand verschiedener Kriterien in jeder Kategorie ermittelt. Je höher der Rang desto stärker die Regulierung.

Wieso gibt es so einen Index überhaupt?

Der Mensch ist bekanntermaßen ein Gruppentier. Er läuft gerne inmitten von Gleichgesinnten in die gleiche Richtung, irgendjemand wird schon sagen, wo es lang geht. Gerne lässt sich der Mensch auch zu besserem Verhalten animieren, z. B. sich gesünder zu ernähren, weniger zu rauchen, an die Altersvorsorge zu denken oder Energie zu sparen. „Nudging“ ist eine Form der politischen Einflussnahme auf das Verhalten der Gesellschaft: Mithilfe von psychologischen Tricks soll das Verhalten gesteuert und Entscheidungsfindung korrigiert werden. In vielen Alltagsbereichen machen die kleinen „Schubser“ durchaus Sinn: Geldautomaten beispielsweise sind so programmiert, dass sie das Geld erst ausgeben, wenn der Nutzer die Karte entnimmt – damit er diese nicht im Automaten vergisst. Reicht der erhobene Zeigefinger nicht mehr aus, kommen Steuern, Verbote, Warnungen und andere eingreifenden Maßnahmen auf den Tisch, die den Verbrauchern die Lust auf Genuss vermiesen sollen. Freiheit? Fehlanzeige.

Die individuelle Freiheit und Selbstbestimmung hinsichtlich der persönlichen Lebensweise wird stark beschnitten, wie die Ergebnisse des Nanny State Index zeigen. Traurig aber wahr: Die Tatsache, dass eine derartige Indizierung der Restriktionen überhaupt möglich ist, zeigt, dass wir unseren Lebensstil immer neuen Auflagen anpassen müssen. Denn auch das ist eines der Index-Ergebnisse: Die gesetzlichen Anforderungen haben sich innerhalb eines Jahres fast in allen Ländern zum Negativen für die Konsumenten verändert. Ein Ende ist eher nicht in Sicht.

Deutschland – ein Paradies für Genießer?

Hierzulande kommen wir in Sachen Bevormundung laut Nanny State Index 2017 noch glimpflich davon: Nach Tschechien ist Deutschland das Land mit dem niedrigsten „Bevormundungsgrad“. Steuern auf Alkohol sind im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern geringer, eine sogenannte Luxussteuer haben wir nicht. Ein universelles Werbeverbot für die indizierten Produktgruppen gibt es bisher nicht und Sperrstunden in Bars kennen wir auch nicht. Die Betonung liegt auf „noch“, denn: immer mehr Auflagen in diversen Wirtschaftszweigen lassen den Radius unserer selbstbestimmten Lebensweise zunehmend kleiner werden.

Zweifelsfrei herrscht in Deutschland ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass gewisse Dinge Regeln bedürfen – Waffenregulierung und Verkehrsregeln beispielsweise sind förderliche Errungenschaften. Inwieweit traditionell gelernte Konsumprodukte jedoch harter Auflagen bedürfen, bleibt zu diskutieren. Der Nanny State Index 2018 wird zeigen, wie „nanny-like“ Deutschland bis dahin geworden ist.