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04.08.2017

Kei­ne Angst vor der Angstgesellschaft

Keine Angst vor der Angstgesellschaft

„Mit Beklemmung, Bedrückung, Erregung einhergehender Gefühlszustand [angesichts einer Gefahr]; undeutliches Gefühl des Bedrohtseins.“ So lautet die DUDEN Bedeutungsdefinition von Angst. Ein Zustand, den niemand ertragen möchte und der in modernen Industriegesellschaften dennoch präsent ist, gerne einmal medial aufgegriffen und dadurch verstärkt wird. Dabei ist eigentlich alles ganz einfach: Menschen möchten ohne Sorgen ein gutes, gesundes Leben führen und sind gerade deswegen so empfänglich für Warnungen und Paniken aller Art. Im Grunde ein den Menschen von Natur aus gegebenes, instinktives Verhalten zum Überleben in freier Natur, das inzwischen viele Institutionen für ihre eigenen Zwecke einnehmen.

Angst in Maßen

„Haben wir das Maß verloren?“, fragte DIE ZEIT den Schweizer Juristen und Politiker René Rhinow. Zuweilen schon, findet er. Rhinow ist der Ansicht, dass „der Verweis auf Eigenverantwortung politisch kaum honoriert wird.“ Die Menschen ließen sich vielmehr von der Vorstellung leiten, der Staat könne für alles verantwortlich sein, vor allem auch für ihre Sicherheit. Das gebe vielen ein beruhigendes Gefühl und das Prinzip Eigenverantwortung gehe langsam verloren. Wer Angst hat, will mehr Sicherheit.

Die Redakteure von Novo meinen hinter vielen Auflagen und Bestimmungen von staatlicher Seite ein System zu erkennen. Politik und Industrie würden die Bevölkerung oftmals vor etwas warnen, zum Beispiel vor einer Pandemie der Schweinegrippe, nur um direkt im Anschluss ein „Aber keine Panik“ hinterherzuschieben. „Furchterzeugung und beruhigende Rhetorik bilden die Grundmelodie moderner Angstmacherei“, schreibt Frank Furedi über die globale Angstindustrie.

Man muss bei der Betrachtung von „Angsterzeugung“ differenzieren zwischen aktuellen Vorkommnissen und langfristigen, nachhaltigen Forderungen nach schärferen Gesetzen. Seit Jahren wird beispielsweise im Ernährungsbereich über eine Ampel-Kennzeichnung auf Lebensmitteln diskutiert. Gesundheitspolitiker befeuern die Debatte um die „Lebensmittel-Ampel“ mit regelmäßigen Informationen über zunehmende Fettleibigkeit und Diabetes innerhalb der deutschen Bevölkerung. Das Ergebnis ist, dass sich immer mehr Menschen bezüglich dieser Krankheiten Sorgen machen. Dies stärkt wiederum die Forderung vonseiten der Politik nach einer Art „Gutes Essen – böses Essen“-Deklaration.

Kann denn nicht jeder für sich selbst entscheiden, was seinem Körper guttut? Offenbar nicht: Es gibt Menschen, die brauchen ein gewisses Maß an Anleitung durch das Leben, um die Orientierung zu behalten. Es bleibt zu fragen, ob wir uns mit einem derartigen Leitsystem nicht die Freude am Leben, die Lust auf Genuss vermiesen (lassen)?

Schluss mit lustig?

Zunehmende Warnungen können bei manchen Menschen den Eindruck erwecken, sie würden immer mehr in ihrer Entscheidungsfreiheit eingegrenzt. Die Verbotsschlinge zieht sich gefühlt Jahr um Jahr weiter zu, auch im Bereich Genuss – der aktuelle Nanny State Index liefert die Statistik dazu: Rauchverbote und Schockfotos auf Zigarettenschachteln, regelmäßige Steuererhöhungen auf Alkohol- und Tabakprodukte, gesetzlich vorgegebene Angaben auf Lebensmittelverpackungen.

Das sind nur einige Beispiele, bei denen der Staat in Bereiche eingreift, die vormals „erlaubt“ waren. Sinnvolle Verbote wie harte Drogen oder tödliche Schusswaffen seien hiervon mal ausgenommen. Die gesellschaftliche Diskussion darüber, welche Regularien sinnvoll oder Humbug sind, wird es immer geben. Statt Verhaltensweisen oder Lebensstile zu dämonisieren, macht es mehr Sinn, sich mit den Ursachen bestimmter Probleme auseinanderzusetzen.

Positive Motivation statt moralischer Zeigefinger

REE:THINK begrüßt Ansätze dieser Art. Information und Aufklärung statt Warnungen und Verbote sind ein wichtiger Schritt in Richtung freier Entfaltungsmöglichkeiten. Ein respektvolles Zusammenleben erfordert immer Regeln und Gesetze. Zu viele Regeln führen jedoch schnell zu einer Verbotskultur. Gesellschaftliche Konflikte lassen sich nicht allein durch tiefgreifende Regulierungen lösen, sondern vor allem durch ein fundiertes Wertebewusstsein.