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09.03.2018

Die Ziga­ret­te hat mei­nen Tag struk­tu­riert.“ – Und jetzt? Rou­ti­ne reloaded.

Entscheidet sich der Raucher also gegen seine bislang den Tagesablauf strukturierende Zigarette und damit gegen seine alltägliche Gewohnheit, so wird er mit einer neuen Situation konfrontiert. Und an dieser Stelle wird es oft schwierig. Das betrifft übrigens nicht nur die Zigarette, mit jeder anderen Gewohnheit verhält es sich ebenso. Doch warum ist das so – braucht der Mensch derart viel Struktur?

Verzicht auf Verzicht? Pro und contra Selbstoptimierung

Der Verzicht auf das Glas Wein bei Freunden, die Zigarette beim Schreiben oder das Smartphone abends im Bett fällt deshalb so schwer, weil man viel mehr damit verbindet: Gemütlichkeit, kreative Konzentration oder Entspannung im hektischen Alltag. Der Mensch, das Gewohnheitstier. Wie stark der Mensch Handlungen mit Situationen verknüpft, zeigen Studien der Psychologin Wendy Wood von der University of Southern California. Sie kommt zu dem Schluss, dass man eine Gewohnheit am besten dann ändern kann, wenn man den Kontext ändert. Abends nicht mehr vor dem Fernseher auf dem Sofa einschlafen? Dafür gibt es einfache Lösungen: Fernseher weg oder runter vom Sofa. Doch das Bedürfnis nach Veränderung sollte immer kritisch hinterfragt werden: Was ist der wahre Grund, der dahintersteht? Geht es darum, sich besser zu fühlen, sich selbst zu optimieren oder vielleicht nur um die Zugehörigkeit zu einem Trend, weil gerade alle auf alles verzichten, zum Beispiel auf Zucker, Kohlenhydrate oder langes Schlafen? Manchmal, so scheint es, beginnt die Selbstoptimierung, weil sie uns über Magazine vorgelebt und damit erstrebenswert wird.

Gesellschaftliches Ansehen: Prominente machen es vor

Noch so ein Beispiel für Routine: der Extrem-Frühaufsteher. Tim Cook tut es, Michelle Obama ebenfalls und auch Jack Dorsey ist einer von ihnen. Einer von den Menschen, die ihren Tag mit einer strikten Morgenroutine beginnen. Jeden Tag. Apple CEO Cook ist ab 3:45 Uhr auf den Beinen, bearbeitet erste Mails und geht ins Fitnessstudio. Work-out steht auch bei der ehemaligen First Lady Obama auf dem Programm, allerdings steht sie „erst“ um 4:30 Uhr auf. Wenn der Wecker von Twitter-Chef Dorsey um halb sechs klingelt, geht er nach der Meditation noch neun Kilometer joggen. Feste Rituale wie frisch gebrühter Kaffee am Morgen, der Spaziergang am Mittag oder die Tagesschau um 20 Uhr verleihen dem Leben eben einen verlässlichen Rhythmus.

Struktur als Verbündete gegen Stress

Neben körperlichen Grundbedürfnissen wie Schlafen, Trinken oder Essen – die dem Tag allein deshalb Struktur geben, weil sie unerlässlich für das Überleben sind – gestaltet der Mensch mit selbstgewählten Routinen seinen Alltag. Diese sind oft an Tageszeiten gebunden. Vor acht Uhr aufzustehen und den Morgen strukturiert zu gestalten, soll unser Leben verändern, meint Hal Elrod, Autor des Bestsellers „The Miracle Morning – The 6 Habits That Will Transform Your Life Before 8AM“. Die morgendlich ablaufenden Routinen sollen den Vorteil haben, dass man nicht über sein Handeln nachdenken muss – was einem unnötig Energie rauben würde.

Gewohnheiten lotsen uns durch den Tag. Sie gliedern die 24 Stunden in greifbare Einheiten und sind „gute Verbündete gegen Stress“, weiß Stressexperte Sepp Porta. „Alles, was vertraut ist, gibt dem Menschen Sicherheit und Stabilität – ein guter Ausgleich zur alltäglichen Hektik.“ Da kaum ein Tag dem anderen gleicht, brauchen wir erwartbare Inseln, die uns in der Umgebung von unerwarteten Situationen Halt geben. Die Tagesstruktur ist etwas Persönliches und Selbstgewähltes. Die Motivationsforschung geht davon aus, dass der Mensch freiwillig diejenigen Dinge regelmäßig tut, die er mit positiven Gefühlen verbindet. Wer den Morgen mit Joggen beginnen will, dabei aber ständig Knieschmerzen hat, wird nicht lange durchhalten und in alte Verhaltensmuster zurückfallen.

Jeder Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens ganz eigene Strukturen, die ihn durch den Tag leiten – und hat die Gestaltung dabei selbst in der Hand. Um 3:45 Uhr aufstehen wie Tim Cook? Kann man machen – muss man aber nicht. Entscheidend ist das gute Gefühl, das die Gewohnheit auslöst.